Das Institut in der NS-Zeit


In den 1930er und 40er Jahren war auch das Fach Kunstgeschichte von der ideologischen Durchdringung der Wissenschaft betroffen. Wie an anderen Instituten wurde in Tübingen der Fokus in Lehre und Forschung auf ‚unproblematische‘ Themenfelder gelegt. Die Mitarbeitenden mussten ihre Abstammung nachweisen und zu Kriegszeiten war die Lehrkapazität stark eingeschränkt, da erst Hannshubert Mahn und dann Wilhelm Boeck zum Kriegsdienst eingezogen wurden.

Das Institut war bereits unmittelbar nach der Machtübergabe im Januar 1933 der politischen Kontrolle ausgesetzt, wie die Nachwirkungen eines von Georg Weises verfassten Kommentars zu einem Vortrag Paul Schultze-Naumburgs zeigen: 1932 hatte Weise in der Tübinger Chronik vom 22. Juni auf den zwei Tage zuvor von Schultze-Naumburg gehaltenen Vortrag „Kampf um die Kunst" reagiert. Weise kritisiert die Thesen Schultze-Naumburgs sowohl fachlich als auch mit politischer Implikation, die sich deutlich gegen den Organisator des Vortrags, den Kampfbund für deutsche Kultur, richtet. „Die Bewegung, in deren Rahmen der Vortrag […] stattfand, pflegt mit Nachruck darauf hinzuweisen, daß sie den ‚Aufbruch der deutschen Jugend‘ darstellt. An eine Jugend zu glauben, die sich prinzipiell von dem Neuen abkehrt und die ernsthafte Auseinandersetzung mit ihm scheut, wird manchem schwerfallen und ihn an den geistigen Schwung und der Stoßkraft der Bewegung zweifeln lassen.“ Gerade dies dürfte im April 1933 zu Konsequenzen geführt haben: Der Kultusminister Mergenthaler richtete eine Beschwerde an das Rektorat, es folgte eine Weisung zur sofortigen Beurlaubung Georg Weises, die jedoch bereits im September wieder aufgehoben wurde.

Weniger politisch zeigte sich hingegen Hannshubert Mahns Kommentar zum selben Vortrag, der direkt neben Weises Artikel gedruckt wurde. Mahn kritisiert in erster Linie die Vortragspraxis Schultze-Naumburgs und die fachlichen Mängel, betont aber zum Schluss seine eigene „Liebe zu Heimat und Volk“ und seine Hoffnung auf die baldige Gelegenheit, „einer vorurteilsfreien Öffentlichkeit über deutsche Kunst der Gegenwart sachlicher zu berichten, als es am Montag geschah“. Aus den Folgejahren sind keine weiteren Kontroversen bekannt. Zwar wurde in Schreiben des Dozentenbundes und anderer Stellen wiederholt Mahns fehlende politische Motivation kritisiert, doch blieb dies ohne Konsequenzen. Erst in den 1950er Jahren scheint mit der aus heutiger Sicht mehr als fragwürdigen Berufung des Nationalsozialisten und ehemaligen Prorektors der Reichsuniversität Straßburg, Hubert Schrade, die nationalsozialistische Vergangenheit noch einmal auf.

Tübinger Chronik Tübinger Chronik vom 22. Juni 1932. Die Beiträge der Kunsthistoriker erschienen auf der Titelseite, Weises „Zum Kampf um die Kunst“ plakativ in der Mitte, Mahns titelloser Beitrag rechts daneben.
Karteikarte Hannshubert Mahn Die Karteikarte, ausgestellt am 05.02.1936, gibt Auskunft über Mahns seit 1933 bestehende Mitgliedschaften in SA und Nationalsozialistischem Lehrerbund (NSLB).