Die Forschungsreisen von Georg Weise


Weise war kein bloßer Stubengelehrter, sondern widmete sich wiederholt der Erkundung und Dokumentation von Kunst- und Bauwerken an fernen Orten. Seine Forschungsreisen führten ihn vorwiegend in den Westen und Süden Europas, was auch in seinen Publikationen deutlich wird. Selbst den Einsatz im 1. Weltkrieg nutzte Weise für seine Studien: So unternahm er 1916–17 mehrmonatige Grabungsarbeiten, um im französischen Quierzy und Samoussy zwei fränkische Königspfalzen wissenschaftlich zu untersuchen. Bemerkenswert ist dies nicht zuletzt deshalb, weil Weise aufgrund einer schweren Kriegsverletzung im November 1914 ein Bein amputiert werden musste.

Besonders seit Mitte der 1920er Jahre intensivierte er seine Forschungstätigkeit im Ausland. Zwischen 1924 und 1933 hielt er sich insgesamt acht Mal für mehrere Monate in Spanien auf, um Kirchen, Altäre und Skulpturen zu dokumentieren. In ausführlichen Kampagnen wurden unter seiner Leitung tausende Fotografien angefertigt, die als Forschungsinstrumente und zur Bebilderung seiner Veröffentlichungen dienten. Unterstützung vor Ort fand er dabei sowohl von den spanischen Behörden als auch von geistigen Würdenträgern. Begleitet wurde Weise auf den Studienreisen zumeist von seiner Frau und einigen Schülern, wie etwa Hannshubert Mahn oder Berthold Conrades, die unter anderem für den nicht immer einfachen Einsatz der Kamera zuständig waren. Die technische Ausrüstung für seine Fotokampagnen lieh er anfangs von der Universität, die ihn mit „photographischen Apparaten, Stativen und sonstigen photographischen Hilfsmitteln“ (1925, Brief an das spanische Konsulat) ausstattete. Die dokumentarische Bedeutung seines Bildmaterials zeigte sich nach dem Spanienkrieg, durch den viele der abgelichteten Werke zerstört wurden, woraufhin Weise 1939 einen Großteil seiner Fotonegative an spanische Archive spendete.

„Leider wird man annehmen müssen, dass dieser Kunstbesitz zum grossen Teil durch bilderstürmerische Wut und die kriegerischen Ereignisse zerstört wurde. […] Ich bin bereit, die Negative […] einer spanischen Stelle zu übertragen, die als Denkmal-Archiv Interesse an ihrer Aufbewahrung hätte. […] Im ganzen handelt es sich vorläufig um die Abtretung von etwa 500 Aufnahmen, zu denen noch ein weiteres Material von weit über 1000 Aufnahmen […] später käme."

Georg Weise in einem Schreiben an das Akademische Rektoramt und das Kultusministerium vom 15. Juni 1939

Die Abzüge nach diesen Negativen und weiteres Fotomaterial bildete den Grundstock für das Archiv Weise in der Graphischen Sammlung der Universität Tübingen. Auch in den 1940er Jahren nahm seine Reisetätigkeit nicht ab, jedoch waren seine Ziele nun eher Frankreich und Italien; kurz vor seiner Emeritierung 1954 unternahm Weise allerdings noch einmal zwei Fotokampagnen in Spanien.

„Selbst im hohen Alter war der Weltkriegsinvalide noch sehr rüstig und begab sich mit ein paar Begleitern auf eine Foto-Expedition nach Spanien. Hier erregte der mit Leitern und Gepäck bis oben vollgeladene, wenn auch nicht große Bus bei seiner Ankunft in den kleinen Orten stets Furore, weil man diese Fremden gern für Zirkusleute hielt."

Chapeaurouge, Donat de: Zwischen Politik und Kunstgeschichte. Erinnerungen, Wuppertal 2001
Weise und Mahn vor Kirche Reisen mit der Kamera. Georg Weise und Hannshubert Mahn bei der Dokumentation eines Portals, von spanischen Kindern umringt. | Fotografie, circa zweite Hälfte der 1920er Jahre, Archiv Weise
Geistlicher Freunde und Bewunderer. Geistliche wie der Erzpriester Don Juan Sanz y Garcia unterstützen Weise bei seinen Forschungsreisen in Spanien. | Postkarte, 1926, Archiv Weise
Jub_Weise_19_V Nach der Forschung ein bisschen Zerstreuung. Georg Weise und Hannshubert Mahn im Publikum einer Corrida. | Postkarte, circa zweite Hälfte der 1920er Jahre, Archiv Weise.